Allerorts wird über einen Rückgang der Insektenvielfalt berichtet. Das Volksbegehren "Artenschutz" sollte Bauern per drastischer Gesetzesänderung dazu verpflichten mehr für den Natur- und Umweltschutz zu tun. Wie ist heute die Lage, nachdem das Volksbegehren im Oktober 2019 ausgesetzt wurde, welche Folgen für die Landwirtschaft sind entstanden und was können wir selbst beitragen?
Ein gemütlicher Grillabend mit Freund:innen an einem schönen, sonnigen Sommertag kann einem Freude und Erholung bereiten. Doch sobald der Grill angeschmissen wird und der süße und deftige Duft in die Luft aufsteigt, kommen sie: Wespen, Bienen, Fliegen, Hummeln und viele kleine Insekten, die uns mächtig die Nerven rauben können. Schluss ist mit einem entspannten Abend! Es wird alles versucht, diese lästigen Insekten loszuwerden, doch wie wichtig sie für unser Leben und unsere Existenz sind, wissen nur wenige. Erfahren Sie im Folgenden wichtige Fakten über Insekten, ihr Artensterben und welche Rolle diese Tiere in unserem Alltag spielen.
Bisher sind rund eine Million Insektenarten wissenschaftlich beschrieben worden, das entspricht rund 60 Prozent aller Tierarten auf dieser Erde. Da es allerdings sehr schwer ist, Insekten zu erforschen, rechnen Wissenschaftler:innen mit einer Vielzahl mehr an kleinen Lebewesen, die sich in tropischen Regenwäldern gut verstecken.
Trotzdem wird allerorts über einen Rückgang der Insektenvielfalt berichtet. Die Ursachen dafür seien sehr vielfältig und oft schwer genau zu definieren. Jedoch werden Gründe, wie nicht genügend Futter für Tiere, Großstädte mit wenig Rückzugsmöglichkeiten und chemische Schädigungsbekämpfungsmittel angeführt.
Eine farbenfrohe, lebendige und summende Wiese ist heute vor allem in Städten nur noch schwer zu finden. Auch in Gärten wird viel Wert gelegt einen perfekten Rasen ohne Unkraut. Doch das bedeutet kein Lebensraum für Bienen, Käfer und andere Lebewesen.
Daher ist es wichtig, Maßnahmen zu ergreifen, um Insekten und deren Artenvielfalt zu unterstützen. Bei dieser Veränderung muss jeder anpacken, nicht nur die Politik, sondern jeder von uns kann dabei helfen, Bienen und ihren Artgenossen ein Zuhause zu geben.
Bienen sind dafür verantwortlich, das weibliche Blütenorgan zu bestäuben, wenn sie Nektar und Pollen sammeln, denn auch Pflanzen haben ein männliches und ein weibliches Fortpflanzungsorgan. Da sich Blüten jedoch nicht von der Stelle bewegen können, sind sie auf die Hilfe der fleißigen Bienen angewiesen, um sich zu befruchten. Jedoch können auch andere Insekten wie Schwebfliegen oder Schmetterlinge die Bestäubung der Pflanzen übernehmen.
Einen sehr kleinen Anteil der Befruchtung kann auch der Wind übernehmen, allerdings sind die Früchte in diesem Fall oft kleiner und weniger in der Stückzahl.
Ohne unsere fleißigen Arbeiter würde also ein Großteil unserer Ernte und damit unserer Hauptnahrungsmitteln, wie Gemüse, Obst, Nüsse, und vieles mehr, wegfallen. Forscher rechnen mit 1,42 Millionen zusätzlichen Todesfällen pro Jahr, die durch Mangelernährung zustande kommen würden aufgrund der Ernteausfälle von Obst, Gemüse und Getreide. Für jede:n Einzelne:n von uns könnte das bedeuten, ein erhöhtes Risiko für einen Vitamin A- (Retinol) und Vitamin B- Mangel zu haben, sowie eine höhere Wahrscheinlichkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder diversen Krebserkrankungen.
Was passieren kann, wenn die Bestäubung aufgrund zu weniger Insekten ausfällt, kann in China beobachtet werden. Dort müssen Arbeiter:innen mit einem Pinsel die Bestäubung händisch durchführen. Diese Methode ist jedoch sehr ineffizient. Der Ursprung dieser Lage findet sich vor mehr als 25 Jahren im wichtigsten Obstanbaugebiet Sichuan. Damals wurden die Spatzen als große Plage angesehen, da sie eine Bedrohung für die Getreideversorgung des Landes darstellten. Aus diesem Grund wurde zur Ausrottung der Vögel angeheizt.
Doch als kein Spatz mehr am Himmel flog und die „Plage“ beseitigt war, kam das nächste Problem. Insekten, die zuvor von den Vögeln aufgepickt wurden, vernichteten nun die Ernte, die es eigentlich zu schützen gedachte. Daraufhin verhalf man sich mit chemischen Waffen und Pestizide wurden gestreut. Doch dieser Aktion fielen auch die Bienen zum Opfer. Seitdem kämpft China mit einer vorherrschenden Stille auf den Feldern.
Bäuerinnen und Bauern haben großes Interesse daran, Artenvielfalt und natürliche Kreisläufe zu erhalten und zu schützen. Auch in der Ausbildung von Landwirten sind diese ein wichtiges Thema. Denn die Natur nachhaltig zu bewirtschaften, ist essenziell für ihren Beruf und für ihre eigene Zukunft und die Zukunft ihrer Kinder.
Deshalb hat sich im Durchschnitt bereits jeder zweite Landwirtschaftsbetrieb freiwillig durch einen Vertag dazu verpflichtet, mehr für den Natur- und Umweltschutz zu unternehmen. Das hat zur Folge, dass mehr als 40 Prozent der Flächen nach Richtlinien des bayerischen Kulturlandschafts- (KULAP) oder des Vertragsnaturschutzprogrammes (VNP) bewirtschaftet werden.
Diese Maßnahme zeigt auch schon positive Erfolge, so sind zum Beispiel laut Bayerischem Artenschutzbericht 2010 wieder 80.000 der insgesamt 100.000 in Deutschland heimischen Tier- und Pflanzenarten in Bayern daheim. Wobei die meisten Arten bevorzugt in Wäldern und in der Alpenregion vorzufinden sind, da viele davon auch nur im Hochgebirge leben.
Zusammenfassend sind also rund 80 Prozent der heimischen Arten im Freistaat Bayern zu finden, der rund 20 Prozent der Fläche Deutschlands umfasst. Wobei man nicht außer Acht lassen darf, dass bereits fast 6 Prozent der Tierarten und bald 4 Prozent der Pflanzenarten in Bayern ausgestorben sind. Außerdem sind über 40 Prozent der Tiere, Pflanzen und Pilze, die auf der roten Liste der gefährdeten Arten stehen, bedroht. Laut Bayerischem Artenschutzbericht 2010 ist besonders der Rückzug der Artenvielfalt aus weiten Landesteilen alarmierend.
Die Zahl der Öko-Betriebe in Bayern steigt stetig und erreicht bald mehr als 10.000 Betriebe. Jedoch gibt es momentan auch eine lange Warteliste an Unternehmen, die auf Öko-Landbau umstellen wollen. Solange die Nachfrage allerdings nicht steigt und Konsument:innen nicht bereit sind, den Wert zu bezahlen, den ein Produkt in nachhaltiger Bio-Qualität-Herstellung kostet, ist es für die Landwirte nicht möglich, die finanziellen Mitteln zu generieren, die notwendig sind, um auf „Bio“ umsteigen zu können.
Das Volksbegehren Artenschutz, welches von zwei Imkern, die unter der proBiene – Freies Institut für ökologische Bienenhaltung (gemeinnützig) GmbH firmieren, ins Leben gerufen wurde, forderte drastische Verschärfungen des Naturschutzgesetzes. Beispielsweise wurde die gesetzliche Verpflichtung zur Ausdehnung des Ökolandbaus auf 30 bis 40 Prozent der Fläche bis 2030 gefordert.
Es sollen außerdem bis 2030 40 bis 50 Prozent weniger chemisch-synthetische Pestizide verwendet werden. Zusätzlich soll es ein Verbot aller Pestizide in Naturschutzgebieten und für Privatgärtner:innen geben. Weitere Punkte sind Schutz der Streuobstbestände und der Ausbau des Biotopverbundes auf 15 % der Landesfläche. Um dies zu ermöglichen, sollen in den nächsten zwei Jahren zusätzlich 62 Millionen Euro vom Land für den Artenschutz investiert werden.
Diese Errungenschaften klingen auf den ersten Blick nach einem großen Erfolg. Doch diese Seite beleuchtet noch nicht, wie es Landwirte aus der Region schafft, diese Erfordernisse zu erfüllen. Um diese Forderungen einzuhalten, müssen landwirtschaftliche Betriebe Veränderungen vornehmen, Verluste an bewirtschaftbarem Land eingehen und mit großen Verlusten in der Ernte rechnen.
Einschneidend ist besonders, dass die staatlichen Förderungen, die zuvor durch freiwillige Maßnahmen vergütet wurden, wegfallen. Statt per Gesetz einen Ökoflächenanteil zu fordern und dadurch einen Großteil unserer Familienbetriebe möglicherweise in den Ruin zu treiben, sollten wir als Verbraucher:innen darauf achten, regionaler einzukaufen und bevorzugt zu Bio-Ware aus Bayern zu greifen. So können wir die Landwirte unterstützen, ihre Betriebe unserer Nachfrage anzupassen und ihnen die Mittel geben, den Schutz der Artenvielfalt nachhaltig zu erreichen.
Das Volksbegehren Artenschutz hat einerseits viele gute Ansätze geliefert und eindeutig für einen Bewusstseinswandel in der Bevölkerung gesorgt. Damit dieser aber vervollständigt werden kann, muss man auch die Rolle unserer lokalen Landwirte anerkennen und sich möglichst in diese hineinversetzen. Es ist erstrebenswert, gemeinsam mit diesen nach Lösungsansätzen für die Zukunft zu suchen.
Aus diesem Grunde wurde das Volksbegehren im Oktober 2019 ausgesetzt und gemeinsam mit der Landesregierung und mehr als 30 landwirtschaftlichen Verbänden aus Baden-Württemberg ein alternativer Gesetzentwurf für Artenschutz und Agrarwende erarbeitet. Durch diese Maßnahme kann das Volksbegehren auch als Chance gesehen werden, die ökologischen Herausforderungen von morgen zu bewältigen.
Es zeigt sich jedoch, dass allein mit diesem Gesetzesentwurf die Arbeit nicht getan ist. Nun liegt es an uns, dort anzusetzen und mit unserem (Kauf-) Verhalten zu zeigen, dass wir eine Veränderung in Richtung einer nachhaltigen, vielfältigen und positiven Zukunft wollen.
Laut einer Studie 2019 der Technischen Universität München ist der Insektenrückgang weitreichender als vermutet. Man geht davon aus, dass etwa ein Drittel weniger Insektenarten, als vor einem Jahrzehnt auf den Wiesen und in den Wäldern zu finden sind.
Betrachten wir Daten des Deutschen Imkerverbands, stellen wir jedoch fest, dass dies zumindest für die Bienen nicht unbedingt stimmt. In Deutschland haben sich rund 150.000 Imker:innen der Kunst der Honig-Herstellung verschrieben. Mit ihren etwa 1.000.000 Bienenvölkern gehören sie zu den fleißigsten weltweit und stellen etwa 20 % des Honigs her, der in Deutschland verbraucht wird. Der Rest des verzehrten Honigs in Deutschland wird aus dem Ausland importiert, vor allem aus Argentinien, Mexiko, der Ukraine und China.
Die Nachfrage nach echtem deutschen Honig steigt und dementsprechend stieg in den letzten Jahren einerseits die Anzahl deutscher Imker:innen andererseits aber auch die Anzahl der Bienenvölker. Von einem „Bienensterben“, wie es eher populistisch von den beiden Imkern, die das Volksbegehren ins Leben gerufen haben, formuliert wurde, kann rein quantitativ also nicht die Rede sein.
Es muss klar sein, dass es nicht die eine Lösung gibt, wie wir Insekten, ihre Artenvielfalt und damit unsere Umwelt schützen können. Aber es ist auf keinen Fall falsch, noch mehr Bewusstsein dafür zu bekommen, woher unsere Produkte kommen und wie viel Arbeit und Wissen in ihrer Produktion steckt. So können wir unsere Landwirte aus der Region und die kleinbäuerliche Agrarwirtschaft unterstützen.
Insektenfreundliche Umwelt schaffen
Gärten und Grünflächen in Städten werden meist so gestaltet, dass sie für das menschliche Auge ästhetisch sind. Jedoch heißt das in vielen Fällen nicht automatisch, dass dieser geschaffene Lebensraum auch ideal für Insekten ist. Deshalb können Sie eine insektenfreundliche Umwelt schaffen, indem Sie Ihren Garten mit bunten Blumen bepflanzen. Besitzen Sie keinen Garten, können Sie auch Blumenkisten an Balkon und Fensters anbringen.
Support your local dealer
Statt per Gesetz einen Ökoflächenanteil zu verordnen, müssen wir als Verbraucher:innen beim Einkaufen darauf achten, woher unsere Produkte stammen. Optimal wäre es natürlich, regionale Bio-Bauernhöfe zu unterstützen, aber in der Realität ist das nicht immer machbar. Beim Kauf von Obst und Gemüse darauf zu achten, dass die Produkte aus Deutschland kommen oder zumindest nicht aus Übersee ist ein guter Anfang. Aktuelle Zahlen sprechen jedoch noch nicht dafür, dass dieses Umdenken in der breiten Bevölkerung einsetzt, so werden in den Kaufhäusern über 40 Prozent Bio-Butter und über 30 Prozent Bio-Milch noch aus dem Ausland importiert.
Lernen, wie und wo unsere Lebensmittel produziert werden
Eine weitere Möglichkeit wäre, im Sommer einmal auf den „All-Inclusive“ Strandurlaub zu verzichten und es sich stattdessen auf einem Bauernhof bequem zu machen. Hier kann man sicherlich von den Gastgebenden so einiges über das Thema Landwirtschaft, Obst- und Gemüseanbau lernen. Es schadet keinesfalls sich genauer darüber zu informieren, wo die Ware, die man täglich konsumiert, herkommt und wie diese hergestellt wird.
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